Jede Menge Bier und ein Pastor auf Sylt

 

Eine Temporäre Installation von Arne Lösekann www.arneloesekann.de

Text und Rrecherche von Anne Simone Krüger http://annesimonekrueger.de

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Die Geschichte der Katharinenkirche reicht weit zurück. Und war lange Zeit eine, die sich vor den Toren Hamburgs abspielte. Stellen wir uns vor es ist das Jahr 1250. Als wohlhabende hanseatische Kaufleute brechen wir zu einem Sonntagsspaziergang auf. Vom Neß herkommend verlassen wir die Altstadt über die Kranbrücke, die wir heute als Zollenbrücke kennen. Die Brücke bringt uns auf den Norddeich der Grimm-Insel. Von dort oben öffnet sich der Blick auf lange, schmale Felder. Hinter diesen Feldern erhebt sich eine einschiffige Kapelle: St. Katharinen. Seine spätere Monumentalität kann das Kirchlein zu diesem Zeitpunkt noch nicht erahnen. Der Baugrund ist so knapp bemessen, dass für die zukünftigen Erweiterungen zunächst einmal zusätzliches Land von den angrenzenden Höfen benötigt wird. (1)

Entscheidenden Anteil am Wachstum der Pfarrgemeinde St. Katharinen und den damit einhergehenden Ausbauten der Kirche hatte vor allem auch – wer hätte das gedacht - das Bier. Oder aber die günstige Lage des Kirchspiels, also der Pfarrgemeinde, begünstigte den Zuzug der Kaufleute und in ihrem Gefolge des Brauereiwesens. Henne oder Ei... Tatsache ist, dass die Schiffkaufleute und Bierbrauer, die zum Fernhandelssystem Nordeuropas gehörten, in der Gemeinde St. Katharinen die günstigsten Arbeits- und Wohnmöglichkeiten fanden. Zum wichtigsten Exportartikel avancierte das Bier, als es Hamburg um 1307/08 gelang sich gegen die Bremer durchzusetzen, die bis dahin die Märkte in Holland und Friesland im Griff hatten. Vor allem durch die Erfindung eines eigenen Rezepts. Statt den Bremern deren Bier nachzubrauen verlegte sich Hamburg auf ein helles Bier, das angeblich bessere Qualität hatte. Man geht davon aus, dass die Einführung des Hopfens das Hamburger Bier im Vergleich zu anderen Sorten schmackhafter machte. Auf jeden Fall zeichnete es sich dadurch aus, dass es länger haltbar und damit für den Überseetransport geeignet war. So durften sich selbst die Engländer und Franzosen bald über bestes Hamburger Gebräu freuen – Prost! (2)


Foto: St. Katharinen. Die Hauptkirche und ihr Viertel – eine Wiederentdeckung. hrsg. von der Hauptkirche St. Katharinen, Hamburg 2013, Bildarchiv des Denkmalschutzamtes Hamburg.


Foto: St. Katharinen. Die Hauptkirche und ihr Viertel – eine Wiederentdeckung. hrsg. von der Hauptkirche St. Katharinen, Hamburg 2013, Bildarchiv des Denkmalschutzamtes Hamburg (Detail).

Mit den Jahrhunderten und dem zunehmenden Zuzug wurde es kuschelig um St. Katharinen. Bis 1943 schmiegte sich ein Konglomerat von Gebäuden verschiedenster Epochen dicht an den Kirchhof, ein erheblicher Teil stammte aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Nach den Luftangriffen im Sommer 1943 war schlagartig alles ganz anders. Nach der südlichen Altstadt und der nahezu gesamten Bebauung der Cremon-Insel traf es die Umgebung um St. Katharinen beim dritten Großangriff in der Nacht vom 29. auf den 30. Juli. Auch die Kirche selbst brannte – es hatten sich Funken in den Turmhelm verirrt, unter dessen Kupferplatten sich damals unglücklicherweise noch eine Holzkonstruktion befand. Das gleiche Schicksal ereilte die historischen Bürgerhäuser im Grimm, die ebenfalls mit viel Holz errichtet worden waren. Um der Berge an Schutt Herr zu werden begann man die Fleete damit zuzuschütten, unter anderem das Stöckelhörnfleet, an das heute nur noch der Name der Straße Stöckelhorn erinnert, in die der Grimm mündet. (3)

Abbildung: St. Katharinen. Die Hauptkirche und ihr Viertel – eine Wiederentdeckung. hrsg von der Hauptkirche St. Katharinen, Hamburg 2013, S.15, Hamburgmuseum (Museum für Hamburgische Geschichte).


Das Stöckelhornfleet mit dem Turm von St. Nikolai vor der Zerstörung (1940) (links) und während der Verfüllung mit Trümmerschutt (1946) (rechts). Abbildung: St. Katharinen. Die Hauptkirche und ihr Viertel – eine Wiederentdeckung. hrsg. von der Hauptkirche St. Katharinen, Hamburg 2013, S.56, Bildarchiv des Denkmalschutzamtes Hamburg.

Im Juli 1943 brannte St. Katharinen, bereits im November waren die Aufräumarbeiten im Gange und ein Notdach überspannt das Kirchenschiff. Und ein paar Monate nach Kriegsende hatte man den Wiederaufbau beschlossen. (4) Dieser gestaltete sich insofern nach einem ersten motivierten Anlauf als immer schwieriger, als die Finanzierung problematisch wurde. Zu dieser Zeit verbrachte der damalige Hauptpastor seinen Urlaub auf Sylt. Und nahm die Sache hemdsärmelig in Angriff: Im bekannten „Restaurant Kupferkanne“ auf Sylt rührte er im Gespräch mit einem Industriellen aus dem Rheinland so ordentlich die Werbetrommel für seine Kirche, dass ihm Unterstützung zugesagt und schon bald in Form einer dreiviertel Million D-Mark zur Verfügung gestellt wurde. Eine Kupferkanne am Abschlussgitter hinter dem Altar erinnert im Kircheninnern noch heute daran. (5) Nach nur vier Jahren wurde bereits 1956 die Einweihung der wiederaufgebauten Kirche gefeiert, die Ausgestaltung im Innern dauerte allerdings noch bis 1961. (6) Heute ist der Kirchenraum in schlichtem weiß und Backstein gehalten – treten Sie ein und machen Sie sich selbst ein Bild....

 

(1) Vgl. St. Katharinen. Die Hauptkirche und ihr Viertel – eine Wiederentdeckung. hrsg von der Hauptkirche St. Katharinen, Hamburg 2013, S.14.

(2) Vgl. ebd. S.17.

(3) Vgl. ebd. S.55.

(4) Vgl. ebd. S.89.

(5) Vgl. Heiner Steinfath: Hauptkirche St. Katharinen Hamburg. Wiederaufbau nach der Zerstörung 1943, Beitrag zum Hopp und Jäger Projekt Band 8, Norderstedt 2017, S.74.

(6) Vgl. ebd. S.91.

beteiligte: 

künstler: arne lösekann http://www.arneloesekann.de

text und recherche:  anne simone krüger http://annesimonekrueger.de

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